Dafür gab es mehrere Gründe. Zum einen reizte mich einfach mal das Abenteuer, ganz alleine in einer fremden Kultur zurechtzukommen, zum anderen bot sich mir eine Möglichkeit mein Englisch zu verbessern und mehr als alles sonst wollte ich die ‚Amis’ einmal selbst erleben, selber feststellen wie es im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wirklich ist.
Und so kam es, dass ich mich einige Monate später, mit voll gepackten Koffern und aufgeregt bis zum Anschlag mit etwa 50 anderen Mitreisenden in einem Flugzeug auf dem Weg nach Chicago befand. Mein Zielort hieß Batavia und lag etwa ein halbe Stunde von der Metropole Chicago entfernt. Von meiner Gastfamilie wurde ich zugleich am Flughafen mit Plakaten herzlichen willkommen geheißen und in die überschaubare Kleinstadt gefahren, ein amerikanischer Vorort „wie er im Buche steht“, mit niedlichen Häusern, großen Vorgärten und selbstverständlich einem Fahnenmast mit der ‚Stars und Stripes’ vor jeder Eingangstür.
Meine Gastfamilie zeigte sich schon während der ersten Tage als sehr liebenswürdig und hilfsbereit und geduldig brachten sie mir z.B. bei mit einem Locket, dem Schloss für die Schulspinde, umzugehen (die Dinger sind verdammt kompliziert für uns Europäer). Ihr Interesse für Deutschland war riesig, sie waren fasziniert von Kleinigkeiten, wie dass es in der deutschen Sprache drei Artikel gibt („Isn’t that awfully complicated?“) und lachten als ich die Mikrowelle „she“ nannte. Alles in allem war mir bereits in der ersten Woche klar, dass ich mit meiner Familie einen 6er im Lotto getroffen hatte und ich hier gut aufgehoben seien würde.
Und schneller als erwartet kam dann auch der erste Schultag. Die Batavia High School war mit etwa 2000 Schülern die einzige Schule in der Umgebung und deutlich größer als ich es von meiner Heimatstadt Essen gewöhnt war. Die ersten Tage fühlte ich mich ein wenig wie in einem Labyrinth, überfordert von den tausend Fluren die doch irgendwie alle gleich aussahen. Aber meine Mitschülern waren steht’s begeistert wenn sie mir den Weg zeigen konnte um danach stolz vor ihren Freunden zu prahlen „I just met the German one!“. Nach einer Woche hatte selbst ich es langsam geschafft mir den Weg zu merken und konnte somit gut in den Schulalltag starten. Mit nur 4 Unterrichtsfächer, die sich jeden Tag in der selben Reihenfolge wiederholten, war mein Stundenplan zudem weitaus einfacher gestrickt als in Deutschland
und somit leicht zu merken. In der Schule war es zudem weitaus einfacher Leute kennen zu lernen als ich erwartet hatte. Mir war zwar schon oft von der Offenheit der Amerikaner erzählt worden, aber ich war dennoch überrascht wie schnell Mitschüler auf mich zugingen, mich einluden an ihrem Lunch-table zu sitzen oder ihr ganze Clique zu mir brachten um allen Freunden zu zeigen wie süß mein Akzent doch klang.
Im Laufe der nächsten Woche wurde ich in die vielen Traditionen des High-School Lebens eingeweiht. Da gab es zum einen die Football-matches, mit Cheerleadern wie man es aus den High-School movies kennt oder Homecoming, eine Art Schulball an dem ich zum ersten mal in meinem Leben ein Abendkleid trug. Auch außerhalb der Schule knüpfte ich im ‚International Club’ und in der ‚Youth Group’ viele Kontakte. Somit ergaben sich bald auch kurze Ausflüge mit meinen Freunden nach Chicago, eine Stadt die ich bis jetzt nur aus dem Fernsehn kannte, auf den Sears-tower, eines der höchsten Gebäude der Welt oder zu einem richtigen Baseball-Spiel der Chicago White Sox. Alles in allem sammelte ich unzählige Erfahrungen an die ich mich immer wieder gerne zurückerinnere.
Aber schließlich folgte dann nach 3 Monaten bereits wieder der Tag der Abreise. Ich erinnere mich noch gut an den Moment an dem ich meiner Familie das letzte mal zuwinkte und endgültig auf dem Weg zum Flugzeug verschwand. „Warum bist du nur 3 Monate gegangen“ fragte ich mich damals. Es war die Angst meine Freunde hier zu sehr zu vermissen, die Angst in Amerika doch nicht gut klarzukommen und auf sich alleine gestellt zu sein, und die Angst nach meiner Rückkehr den Anschluss in der Schule nicht mehr zu finden. Alles Unsinn, wie ich im Nachhinein feststellte. Ich hatte in den USA erstaunlicherweise weder meine Freunde noch meine Familie vermisst, hatte mich sofort sehr wohl gefühlt und kenne viele Mitschüler die auch nach einem längeren Auslandsaufenthalt wieder in den Schulalltag hineinfinden.
Also alle denen, die sich gerade überlegen einen Austausch zu machen kann ich das Ganze nur sehr empfehlen, für mich war es mit die beste Zeit meines Lebens. Meine Gastschwester war übrigens dieses Jahr selbst als Austauschschülerin für 10 Monate bei meiner Familie in Deutschland und hat ihren Aufenthalt hier ebenso genossen wie ich meinen bei ihr...