Da ich weiß, wie nervös man vor einem Auslandsaufenthalt ist, erzähle ich jetzt einfach, wie es mir vor, während und nach meiner Zeit in Neuseeland ergangen ist.
Nachdem ich von GIVE mit reichlich Infomaterial versorgt worden war und alle nötigen Vorbereitungen erledigt waren, wurde ich langsam nervöser, da das Abflugdatum immer näher rückte. Wie würde meine Gastfamilie sein? Wie sind die Leute dort? Wie werde ich in der Schule zurechtkommen? Was ist, wenn ich nichts verstehe? Warum habe ich bloß gesagt, dass ich ohne meine Familie und Freunde ganze 6 Monate auskomme? All diese Fragen geisterten mir ständig im Kopf herum. Hinzu kam noch die Ungewissheit über meine Gastfamilie. Erst drei Wochen vor Abflug erfuhr ich , wo ich für die nächsten 6 Monate leben würde: Bei einer geschiedenen Gastmama mit 2 kleinen Töchtern (2 und 4 Jahre alt). Die Informationen hörten sich ganz gut an, es würde also eine reine „Mädels-Familie“ werden.
Doch dann der Schock: sie hatten keinen Computer! Es war zwar kein Problem einen Laptop mitzunehmen, doch viel mehr konnten wir nun nicht ganz einfach E-mails austauschen, sondern ich musste mich dazu durchringen, den berühmt-berüchtigten 1. Anruf zu tätigen. Trotz meiner Nervosität verliefen die zwei Telefonate, die wir führten, erstaunlich gut. Ich musste zwar des öfteren noch mal nachfragen, aber ich habe dann doch verstanden, dass meine Gastfamilie sich sehr auf mein Kommen freute. Meine Gastmutter gab mir den Eindruck, willkommen zu sein und das beruhigte mich sehr. Sie versprach auch, mir ein Päckchen mit Fotos usw. zu schicken, doch dummerweise war dies das einzige Päckchen, von dem ich wusste, das auf dem Weg verloren gegangen ist.
Als ich dann nach einem langen Flug über Singapur, Auckland und Wellington (dort hatten wir noch ein 1-wöchiges Vorbereitungsseminar) endlich in Nelson gelandet war, war ich sehr gespannt, meine Familie zu sehen. Meine Gastschwestern hatten extra Namensschilder für mich gebastelt, damit ich sofort wusste, wohin ich musste.
Ich wurde so herzlich aufgenommen, als wäre ich schon immer ein Familienmitglied gewesen, das von einer lange Reise zurückgekommen war. Meine Familie (das Gast... lasse ich jetzt mal weg, da ich mich dort wie zu Hause gefühlt habe und nicht wie ein Gast) zeigte mir also zuerst mein Zimmer und das beschauliche, aber sehr persönlich und einladend wirkende Haus. Nachdem ich meinen Koffer ausgepackt hatte gab es Mittagessen und noch war die Stimmung etwas bedrückt, da wir alle nicht mit der Situation vertraut waren. Anschließend schlug meine Mama vor, ein wenig spazieren zu gehen, sie zeigten mir die Schule und die Umgebung, dann spielte ich zu Hause ein wenig mit dem Mädchen bevor ich meiner Mama beim Kochen half. Am Abend spielten wir zusammen Karten und hatten eine Menge Spaß.
Es dauerte keine Woche bis ich mich in NZ wie zu Hause fühlte. Meine kleinen Schwestern wurden schnell anhänglich und wollten die ganze Zeit mit mir spielen. Auch in der Schule gab es weniger Probleme als ich erwartet hatte. Es gab einen Raum für die Internationals und einige Frauen, die nur für die Betreuung der Gastschüler zuständig waren. Zu meiner großen Überraschung waren an meiner Schule ungefähr 20 Deutsche, bestimmt 25 Asiaten und 2 Brasilianer. Anfangs waren wir alle sehr froh, von anderen Deutschen umgeben zu sein, da es einfacher war, sich in der Heimatsprache über die ersten Erfahrungen und Eindrücke zu unterhalten. Doch nach kurzer Zeit merkten wir, dass wir uns aufteilen mussten, denn solange wir in Grüppchen blieben und hauptsächlich Deutsch sprachen, hatten wir keine Chance irgendwelche Kiwis kennenzulernen.
Und ehe ich mich versah, stand ich vor dem größten Problem, das ich in NZ hatte. Anfangs traute ich mich nicht, Kiwis anzusprechen, da sie alle schon ihre Freunde hatten und in Gruppen zusammen saßen. Doch ich dachte mir: Probier einfach mal was, du kannst ja eh nichts verlieren! In der Tat habe ich dadurch nur gewonnen, nämlich neue Freunde :)
Nachmittags bin ich oft noch in der Schule geblieben, um Basketball oder Fußball zu spielen und am Wochenende habe ich mich mit Freunden in der Stadt oder am Strand getroffen, oder habe Ausflüge mit meiner Familie gemacht.
In der „kurzen“ Zeit habe ich unglaublich viele faszinierende Sachen erlebt, bin viel selbständiger, offener, selbstbewusster und zielstrebiger geworden. Auf der einen Seite kamen mir die 6 Monate dank der vielen neuen Eindrücke und Erlebnisse unendlich lange vor, auf der anderen Seite war die Zeit viel zu kurz. Denn ehe ich mich's versah, war es schon Sommer (November/Dezember) und ich fragte mich, warum ich mich nicht entschieden hatte, nur ein halbes Jahr zu gehen.
Eines der schönsten Erlebnisse war Weihnachten, denn meine Deutsche Familie war am 22.12. nach NZ geflogen, um mich abzuholen. So konnte ich mit meinen beiden Familien Weihnachten im Sommer am Strand feiern, eine wirklich tolle Erfahrung.
Der Abschied fiel mir unglaublich schwer, da ich vor allem zu meiner Familie eine sehr enge Beziehung aufgebaut hatte und die Frage, ob wir uns je wiedersehen würden machte uns alle äußerst traurig.
Nachdem der erste Abschiedsschmerz dann überwunden war, konnte ich die 3-wöchige Reise im Wohnmobil, die ich mit meinen Eltern, Geschwistern und Oma unternommen habe, doch noch genießen. Wir erkundeten einen Großteil der Südinsel, nahmen dann die Fähre nach Wellington und fuhren mit vielen Zwischenstopps bis nach Auckland. Auf der Reise konnte ich meine Familie für Neuseeland begeistern, die Landschaft ist traumhaft und abwechslungsreich, die Leute sehr offenherzig und wir haben viele Ausflüge unternommen. Das absolute Highlight, da sind wir uns alle einig, war das Delphinschwimmen in Kaikoura. Mit Neoprenanzügen und Schnorcheln ausgerüstet sind wir früh morgens mit einem Boot aufs Meer gefahren und unser guide konnte uns zu dem Delphinrudel von ca. 300 Tieren bringen. Dann durften wir zu ihnen ins Wasser springen und mit ihnen spielen. Ein wahrhaft traumhaftes Erlebnis.
Auch jetzt schwelge ich noch oft in Erinnerungen an meine 2. Heimat und kann nur immer wieder sagen, dass ich dort die beste Zeit meines Lebens verbracht habe. Auch zu meiner Familie und zu einigen Freunden habe ich noch regen Kontakt.
Wer überlegt, ob er ins Ausland gehen sollte, dem kann ich nur sagen: GEH! Du wirst es nicht bereuen und auch wenn man Angst hat, hier etwas zu verpassen, sind solche tollen Erfahrungen es allemal wert!!
Zu guter Letzt möchte ich noch allen Mitgliedern des GIVE-Teams ganz herzlich für die tolle Vorbereitung und Unterstützung und auch meinen Familien, ohne die der Aufenthalt nur halb so gut geworden wäre, danken.