Am 26. August ging mein Flug nach Portland, Maine, wo mich dann meine Familie abgeholt hat. Der Abschied war hart, es gab viele Tränen, aber sobald ich auf die anderen deutschen Austauschschüler traf, redeten wir nur noch über das, was von nun an passieren würde. Es war schön nicht alleine zu sein und zu wissen, dass es allen so wie mir erging. Bei der Ankunft in Maine stieg die Nervosität. „Wie wird meine Familie sein? Werde ich mich gut verständigen können? Werde ich gut aufgenommen werden?“ Solche Fragen schwirrten durch meinen Kopf und gleichzeitig war ich total erschöpft und wollte nur noch schlafen. Meine Gastmutter und Gastschwestern (16) standen an der Gepäckausgabe und nahmen mich in Empfang. Es war zwar ein komisches Gefühl aber gleichzeitig unheimlich gut. Wir unterhielten uns über meine Reise, auf Englisch natürlich. (Wenn man sich zwischen falscher Grammatik oder Schweigen entscheiden muss, dann spricht man doch lieber einfach mal drauf los!!) Vom Flughafen waren es noch gut 2 Stunden bis zum Haus meiner Gastfamilie. Auf der Fahrt bin ich eingeschlafen. Als wir ankamen, lernte ich meinen Gastvater und Gastbruder (12) kennen. Danach haben sie mir mein Zimmer gezeigt und ich habe mich sofort schlafen gelegt.
Am nächsten Tag bin ich mit Lizzie, meiner Gastschwester, durch das Städtchen gelaufen. Wir trafen eine ihrer Freundinnen, die natürlich schon von mir gehört hatte. Sie war sehr nett zu mir und meine Angst Englisch zu reden fiel langsam von mir ab. (Das ist übrigens sehr wichtig. Man lernt am besten die Sprache, wenn man einfach redet und probiert. Es braucht einem nicht peinlich zu sein und aus Fehlern lernt man am besten!)
Das erste Wochenende in Amerika verlief gut, ich unternahm viel mit meiner Gastfamilie und mir gefiel Camden auf Anhieb.
Montags musste ich dann das erste Mal in die Schule zum „Orientation Day“ der sehr hilfreich war. ich konnte alle meine Lehrer treffen, allerdings hatte es mit dem wahren Schulalltag noch nichts zu tun. Erst am nächsten Tag ging es dann richtig los. Im Unterricht wurde ich viel angestarrt und mir wurden viele stellten Fragen. Ich war ein wenig überfordert und wollte nicht gerne reden, weil ich dachte, mein Englisch sei zu schlecht. Noch in Deutschland hatte ich mir vorgenommen, dass ich Sport machen will, um mehr Leute kennen zu lernen. Ich entschied mich für Cross Country (lange Strecken durch den Wald laufen). Das Team war total nett und alle waren sehr hilfsbereit.
In der Schule verlief einiges anders, als ich es mir vorgestellt habe. Früher hatte ich immer gehört, dass Amerikaner sehr offen seien und auf einen zu kommen. Mir erging es anders, ich musste Initiative ergreifen, um wirklich Freunde zu finden. In Study Hall (=Freistunde, die man in der Schule verbringen muss) habe ich mich zu zwei Mädchen gesetzt, die mir sofort sehr nett vorkamen. Sie waren mehr wie ich und hatten ähnliche Interessen. Schon bald war ich in ihre Freundesgruppe integriert und unternahm viel mit ihnen.
Mit allem, was alleine am Anfang passiert ist, hatte ich kaum Zeit an zu Hause zu denken. Die ersten Tage waren zwar schwer, doch sobald die Schule anfing war ich immer abgelenkt. Natürlich habe ich meine Familie und Freunde vermisst aber traurig war ich nicht mehr. Im Gegenteil, ich war unheimlich froh in Amerika zu sein. Nur wenige Wochen nach meiner Ankunft, bei einem der vielen Telefonate mit meinen Eltern, redeten wir darüber, ob ich nicht doch ein ganzes Jahr bleiben sollte. Ich hatte mich nur für ein Semester bei GIVE angemeldet, da ich dachte, mehr Zeit weg von zu Hause würde ich nicht schaffen. Ich entschied mich dafür, redete mit meiner Gastfamilie, die glücklich zustimmten, und informierte meine Area Representative. Meine Freunde zu Hause waren traurig und auch ich fand es schade, sie noch länger nicht zu sehen, aber ich wollte mir die Chance nicht nehmen lassen, so lange wie möglich dort zu sein.
So nahm alles seinen Lauf. Die Gruppe von Mädchen, die ich kennen gelernt hatte, begleitete mich mein ganzes Jahr. Eine von ihnen wurde meine beste Freundin, wir waren unzertrennlich. Ich hatte noch viele andere Freunde, die ich durch die Schule kennengelernt habe. Schon wenige Wochen nach meiner Ankunft war ich Teil dieser Schule und führte ein Leben, wie ich es in Deutschland hatte. Freunde sind das A und O, um viel Spaß zu haben und viel zu erleben.
Im Winter trat ich dem Skiteam bei. Auch hier lernte ich wieder neue Leute kennen und ich schloss neue Freundschaften. Der Sport an amerikanischen Schulen kann sehr wettbewerbsorientiert sein. Gleichzeitig macht es auch nichts, wenn man nicht der/die beste, schnellste und tollste ist. Bei Rennen oder Wettkämpfen feuert jeder jeden an, ob man gewinnt oder verliert. Im Frühjahr habe ich Tennis gespielt mit so gut wie allen meinen Freunden, wodurch es natürlich noch mal mehr Spaß gemacht hat.
Das ganze Jahr über war ich viel unterwegs, habe mich so gut wie nie gelangweilt und fand mehr und mehr Freunde. Mit meinen Eltern habe ich, wenn es ging, einmal pro Woche telefoniert und mit meinen Freunden häufig geskyped. An Weihnachten überkam mich starkes Heimweh, da es einfach ein komisches Gefühl war, so ein Fest nicht mit den vertrauten Leuten um sich zu verbringen. Trotzdem war auch Weihnachten schön und in meinem ganzen Leben hatte ich noch nie ein so weißes Weihnachten, wie in Camden. Mit meiner Familie kam ich sehr gut zurecht und sie haben mir viele Freiheiten gegeben. Ich durfte so viel mit meinen Freunden unternehmen, wie ich wollte, so lange wir regelmäßig zusammen zu Abend gegessen haben. Außerdem waren wir zusammen mehrmals in Boston und über Thanksgiving in Washington D.C. Über Silvester war ich in New York City.
Meine Schule hat mehrmals „Dances“ veranstaltet. Bei diesen Veranstaltungen hatte ich immer sehr viel Spaß, wobei ich feststellen musste, dass amerikanisches Tanzen („grinding“) nicht Tanzen genannt werden sollte. Am Ende des Jahres war dann die Prom. In amerikanischen High School Filmen ist das immer das Highlight des Schuljahres. Und das ist als eines der wenigen Klischees sogar wahr. Monate vorher beginnt die Suche nach einem Kleid (zumindest für die Mädchen) und alle reden darüber, wer wen schon gefragt hat. Meine Freunde und ich sind in einer großen Gruppe gegangen, aber immer ein Junge und ein Mädchen zusammen (siehe Bild). Die Sporthalle war vollständig geschmückt und sah deshalb gar nicht mehr aus wie sonst. Das Motto war „Arabian Nights“, was auch gut gelungen war.
Die Schule in Amerika war nicht sonderlich anspruchsvoll. Es gab zwar viele Hausaufgaben, aber viel Zeit musste ich nicht investieren. Die Schule fing jeden Tag um 7:40 an und hörte um 14:15 auf. (Das ist jedoch von Schule zu Schule unterschiedlich!)
Die Woche nach der Prom war Graduation. Dort bekommen alle Seniors der Schule ihr Zertifikat und werden somit aus der Schule entlassen. Ich war ein Junior (11. Klasse) und konnte nur zugucken. Das war der erste Zeitpunkt, an dem ich gemerkt habe, bald muss auch ich wieder nach Hause gehen.
Nachdem die Schule vorbei war, gab es für alle Juniors eine Klassenfahrt nach Washington D.C. Auch ich durfte daran teilnehmen. Wir sind mit Bussen gefahren, haben auf dem Weg New York, Philadelphia und Baltimore angeschaut und waren dann eine Woche in D.C. Es war eine tolle Fahrt und ein super Abschluss für mein Auslandsjahr. (siehe Bilder)
Nach dem „Junior Class Trip“ hatte ich noch zweieinhalb Wochen übrig. Anfang des Jahres hätte ich nie gedacht, dass es genauso traurig wird, nach Hause zu fahren. Die letzten Wochen habe ich in vollen Zügen genossen und jeden Tag des Sommers mit meinen Freunden verbracht. Die letzten Wochen in Amerika waren wie die letzten Wochen in Deutschland sehr emotional. Zu Hause angekommen bin ich am 15. Juli. Es war zunächst komisch, dass alles wieder beim Alten war, denn wie ich feststellen musste, hatte sich außer dem einen oder anderen Gebäude in Karben nichts verändert. Glücklicherweise haben auch meine Freunde sich nicht verändert und ich konnte mich schnell wieder an mein altes Leben gewöhnen. Schon jetzt freue ich mich darauf meine Freunde und zweite Familie in den Sommerferien zu besuchen. Zur Zeit fühle ich mich häufig als lebe ich in zwei Welten. Die eine hier zu Hause in Deutschland und die andere in Camden, ME, USA.
Es hat mich nicht nur sprachlich, sondern auch in meiner eigenen Entwicklung sehr voran gebracht. Man entwickelt sich unheimlich weiter und wird viel eigenständiger. Der Schmerz am Anfang wird letztendlich doppelt ausgezahlt. Nicht jeder hat die Chance, aber wer sie bekommt, sollte sie mit Freude ergreifen. Mein Jahr in Amerika war das beste Jahr meines Lebens.