Leonie Budde berichtet aus Kodiak (Alaska / USA)

Hallo, ich bin Leonie und ich habe mein Austauschjahr in Kodiak, Alaska verbracht. 4 Tage vor Abflug bekam ich früh morgens einen Anruf aus Heidelberg: “ Hallo Leonie, wir haben eine Familie für dich gefunden, du kommst nach Kodiak, Alaska!” Stille. Abegesehen von meinen Eltern die wie verrückt um mich rumsprangen und sich kaum noch einkriegten. Ihre Tochter, in Alaska! Ob das gut gehen würde?

Tat es, und ich kann jedem der seine Reise in den 49. Staat der USA antritt nur gratulieren. Du wirst etwas so außergewöhnliches und individuelles erleben, das kann kaum jemand von sich behaupten. Auch wenn du immer noch in den USA bist, ist Alaska doch einen Tick anders. Die Menschen hier oben verstehen sich als ein Volk, eine Gruppe abgetrennt von der “Lower-48”, also den unteren 48 Staaten. Wie bereits gesagt, führte mich mein Weg nach Kodiak, Alaska. Um genauer zu sein AUF Kodiak, denn Kodiak ist eine Insel im Golf von Alaska. Kodiak ist nach Hawaii die zweit größte Insel der USA und ungefähr halb so groß wie Hessen hat aber gerade mal zehn bis zwölf tausend Einwohner. Nicht viel, wenn man an die dreitausend Bären denkt, die die Insel ihr Refugium nennen. Als ich das im Internet las war ich erst mal baff. So wild sollte es da sein? Jagen, Fischen, Wandern und  und und. Aber wer hätte es gedacht- ich hatte eine super Zeit. Auch in Alaska gibt es typische Highschools, Malls, und Amerikaner sowieso. Aber eben noch so so viel mehr. Ich durfte mich für ein Jahr stolz als Teil der Kodiak Highschool oder eben der Bears bezeichnen und war aktiv im Fußballteam sowie im Cross-Country. Obwohl wir hier recht isoliert waren, gaben sich alle SO viel Mühe die typisch amerikanischen Bräuche nach Alaska zu bringen. Wir hatten gefühlte hundert Bälle wie z.b. Homecoming, Halloween Dance, Morp, Snowflake Ball, Prom um nur einige zu nennen. Das Homecoming Game meiner Schule landete zwar im Wasser- er regnete buchstäblich aus Kübeln, aber es war trotzdem eine tolle Erfahrung. Prom war eine unglaublich tolle Erfahrung und nicht nur die Mädels unter euch werden es lieben. Es wurde eine Art Tradition meiner Freundinnen und mir, bei mir das “Getting-Ready” Ritual zu vollziehen und meine Gastmutter, eine Fotografin, machte jedes Mal schöne Fotos von uns. Abgesehen davon gingen wir auch “Trick-or-Treat” an Halloween und Christmas war sowieso Reizüberflutung pur. Meine Familie war jüdisch, so feierten wir abgesehen vom christlichen Weihnachten auch noch Hannukah, das jüdische Weihnachtsfest- eine tolle Erfahrung! Wer kann sonst von sich behaupten jüdische Wihnachtslieder mitträllern zu können? “Oh Hannukah, Oh Hannukah, come light the Manora, let's have a party, we all dance the Hora”. Auch Valentinstag war total crazy und obwohl es ja eigentlich nur am 14. Feburary stattfindet machen die Amis einen RIESEN  Aufwand um ihren Lieben zu zeigen, dass sie sie wertschätzen. So fing Valentins season praktisch schon ende Januar an und nur einige Tage später konnte man bei uns im Walmart T-shirts, Kuscheltiere, Schokoladen, ja sogar Topfpflanzen in rosa-rot mit goldenen “I love you” Schriftzügen erstehen. Das ich wirklich in Alaska war wurde mir erst Anfang des Winters bewusst. Plötzlich ging die Sonne erst gegen 11 auf und um 4 war es schon wieder duster. Ich als bekennender Herbst-oh-wie-schön-es-ist-kalt-Tee-trinken-Zeit- Mensch bin davon jetzt nicht so stark beeinflußt wie andere. Aber meine beste Freundin auf Kodiak, Tatiana aus Kolumbien, hatte ordentlich mit der Dunkelheit zu kämpfen. Aber wenn man sich ein Hobby sucht und viel unternimmt ist das alles gar kein Problem. Ein anderer Moment, den ich in Großbuchstaben in mein Tagebuch schrieb war der Tag an dem wir einen Lock-down auf Grund eines Bären auf dem Schulparkplatz hatten. Ja, die ganze Schule wurde abgeriegelt, so à la Amoklauf, damit kein Schüler nach draußen konnte. Einige Tage später wurde der Bär dann erschossen, da er sich zu lange in der Innenstadt aufhält. Und hiermit ein anderer Punkt der euch verändern wird: Ihr werdet euch eurer Umwelt viel mehr bewusst. Vor einem Jahr hätte ich mich nicht so über die Erschiessung des Bärung aufgeregt- oder darüber gegrübelt! Mir ist nun wirklich tiefenbewusst, dass wir unsere Natur schützen müssen, denn es gibt nicht mehr viele Oasen der Wilderness wie Alaska.

Abgesehen davon war ich Whale-Watching, habe 3 Bären gesehen, unzählige Bald-Eagles, war Schlittenfahren im Tiefschnee, war bei einem Schlittenhund Rennen, habe die “Pledge of Allegiance” auswendig gelernt, war für 10 Stunden auf einer Fähre zum Festland( glaubt mir, in Alaska ist das ein Erlebniss für sich), war fischen und habe festgestellt wie schnell ich Seekrank werde, trotzdem einen Riesen Fisch gefangen und eine meiner besten Freundinnen kennengelernt.

Ja, es mag Alaska sein. Ja, es mag nicht dein typisches Auslandsjahr sein. Ja, du wirst dich stark verändern. Ja, du wirst dich SEHR weit weg von Zuhause fühlen und Ja, du magst dafür belächelt oder sogar bemitleidet werden. Aber weist du was? Alaska ist so etwas Besonderes, so etwas Außergewöhnliches, so etwas Kostbares; du wirst es nie, nie, nie bereuen den Schritt gewagt zu haben und immer etwas anders zu erzählen haben als alle anderen. Lasse dich nicht von den Stereotypen und Vorstellungen anderer einnehmen- mach dir selbst einen Eindruck und werde einer der glücklichsten Austauschschüler Deutschlands.

Leonie

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