Natürlich war die Aufregung sehr groß, sodass der Abschied doch viel leichter fiel als ich gedacht hatte. Außerdem war ich ja nicht alleine: wir flogen in einer sehr großen Gruppe von ungefähr 60 zukünftigen Gastschülern. Am Ziel meiner Reise waren wir dann allerdings nur noch zu zweit: nach Kingston, in der Provinz Ontario, flog nämlich nur noch ein anderes Mädchen.
In Kingston wurden wir am Flughafen von unseren Gastfamilien abgeholt. Schon auf der Fahrt zu unserem Haus war mir meine Gastfamilie total sympathisch und wir verstanden uns auf Anhieb gut. Zu ihr gehörten außer meinen Gasteltern auch noch zwei kleine Gastschwestern: eine 10-jährige Gastschülerin aus Korea und die 11-jährige Tochter meiner Gasteltern. Schon die ersten Tage in meiner Gastfamilie waren sehr schön, wir unternahmen viel miteinander, zum Beispiel fuhren wir an einen See zum Schwimmen und schauten uns downtown Kingston an.
Nach ein paar Tagen fing die Schule an, die wohl den größten Unterschied zu meinem deutschen Leben darstellte. Normalerweise wählt man in Kanada in der high school vier Fächer, die man dann jeden Tag hat. Meine Schule bot jedoch ein Theaterfokusprogramm an, für das ich mich entschied, was bedeutete, dass ich drei von vier Stunden am Tag eine Theaterklasse hatte. Zusätzlich konnte ich nur noch ein anderes Fach wählen und entschied mich für Mathe.
Der Matheunterricht stellte sich als noch leichter als erwartet heraus und hat sogar einigermaßen Spaß gemacht, da ich nicht dafür lernen musste. Ich bin echt froh, dass ich mich für „Theatre Complete“ entschieden habe, denn diese Klasse war eine tolle Erfahrung!
Anfangs hatte ich Probleme, Anschluss zu meinen Mitschülern zu finden, da sie schon feste Cliquen hatten. Jedoch änderte sich das bald und mir wurde klar, dass mir drei Monate viel zu kurz waren. So verlängerte ich auf vier Monate und bin echt glücklich, dass ich mich dazu entschieden habe und meine Eltern damit auch einverstanden waren.
Zwei Wochen nachdem ich angekommen war, meldete ich mich außerdem für Jazzdance in einer Tanzschule an und hatte von da an jeden Montagabend Tanzstunden.
Mit meiner Gastfamilie unternahm ich mehrere Trips, den ersten im Oktober zu Thanksgiving. Wir fuhren alle zusammen an die Niagara-Fälle und anschließend nach Kitchener. Dort feierten wir mit der Familie meines Gastvaters dieses große Familienfest, das zum größten Teil aus dem traditionellen Gericht bestand: Truthahn mit Füllung, und zum Nachtisch pumpkin pie, Kürbiskuchen.
Ende Oktober fuhren wir nach Montréal, wo ich unter anderem meine Schwester besuchte, die dort ihr Auslandsjahr verbringt. Außerdem fuhr ich mit meiner Gastmutter für einen Tag in die Hauptstadt Ottawa und nahm an einem Trip für Gastschüler nach Toronto teil.
Mit meinen Freundinnen unternahm ich unter der Woche wenig, da sie alle von verschiedenen Schulen kamen (sie waren nur für das Theaterprogramm an meiner Schule) und daher alle verschiedene Schulbusse nahmen. Das war für mich anfangs sehr ungewohnt, aber bald kam es mir schon normal vor, dass so gut wie alle gemeinsamen Aktivitäten am Wochenende stattfanden.
Zum Glück kam ich mit der Sprache schnell gut zurecht, sodass ich mich mit meiner Gastfamilie und meinen Freunden ziemlich schnell über alles Mögliche unterhalten konnte.
Nach zwei Monaten wechselte meine koreanische Gastschwester zu einer anderen, koreanischstämmigen Gastfamilie, da der Unterschied zwischen der koreanischen und der kanadischen Kultur für sie zu groß war, und sie damit als 10-järiges Mädchen nicht gut umgehen konnte.
Anfang Dezember fuhr ich mit meiner Theaterklasse nach New York City, was für uns alle ein Riesenerlebnis war, denn manche meiner Mitschüler hatten Kanada noch nie verlassen. Die 2 ½ Tage in NYC wurden ein voller Erfolg, wir hatten eine Menge Spaß beim Shoppen, der Besichtigung der Stadt und dem Ansehen verschiedener Shows, davon einer am Broadway.
Während wir in NYC gewesen waren, hatte es in Kingston und Umgebung einen Schneesturm gegeben, so dass es dann wirklich Winter wurde. Es gab zwar für kanadische Verhältnisse nicht sehr viel Schnee, aber doch genug, dass ich kurz vor meiner Abreise noch mit meiner Gastmutter und Gastschwester in der Nähe von Ottawa Skifahren konnte.
Dann stand auch schon Weihnachten vor der Tür, was wirklich ein besonderes Erlebnis war, welches jedoch von dem Abschied von meinen kanadischen Freunden getrübt wurde, da ich sie vor dem Fest zum letzten Mal sah.
Am Abend des 24. stellten wir Kekse und Milch für Santa Claus auf, hängten Strümpfe auf und öffneten jeweils ein Geschenk. Am nächsten Morgen waren Kekse und Milch verschwunden und die Strümpfe gefüllt mit Schokolade und kleinen Geschenken. Noch vor dem Frühstück öffneten wir alle unsere Geschenke. Abends gab es dann ein großes Festessen mit - wie sollte es anders sein- Truthahn.
Und am nächstem Tag hieß es für mich dann schon „Goodbye Canada“ und nach einer, trotz Verlängerung, viel zu kurzen Zeit musste ich mich schon wieder von meiner Gastfamilie verabschieden und in den Flieger zurück nach Hause steigen.
Meine Zeit in Kanada hat sich für mich auf jeden Fall gelohnt, ich habe viele neue Erfahrungen gesammelt, tolle Leute kennengelernt und natürlich hat sich mein Englisch auch sehr verbessert. Ich würde es jedem, der überlegt, einen Auslandsaufenthalt zu machen, sofort empfehlen, denn meine Zeit in Kanada war eine der besten, die ich bisher erlebt habe!